Frank Auerbach, Lucian Freud, Paula Rego

Prints

24.01.2020 – 29.02.2020

In den Räumen der Residenz München präsentierte die Galerie Fred Jahn bereits 2013 Arbeiten von Paula Rego. Die Ausstellung hieß „Prints and Related Drawings“ und war ihre erste Einzelausstellung innerhalb Deutschlands. Daraus erwuchs die Idee einer weiteren Ausstellung, in der Regos Grafiken im Kontext der beiden anderen großen Maler-Grafiker gezeigt werden.
Frank Auerbach und Lucian Freud gehören zu der sogenannten School of London, einer Gruppe von Künstlern, die in den 1950er-Jahren in London lebten und sich, trotz der aufkommenden und schließlich dominanten Abstraktion, der Erneuerung der figurativen Malerei verschrieben hatten. Kitaj verwendete 1976 erstmals die Bezeichnung School of London, womit er auf die außerordentliche Vielfalt und Vitalität der zeitgenössischen Kunst Englands hinweisen wollte. Eine Schule im stilistisch-pädagogischen Sinne war sie nicht, vielmehr weist der Sammelbegriff auf die Tatsache hin, dass sich hier eine Gruppe herausragender figurativer Maler gebildet hatte, die sich durch gemeinsame Bewunderung und Ambitionen verbunden fühlten. Den Kern dieser Gruppe bildeten Francis Bacon, Lucian Freud, Frank Auerbach, Leon Kossoff, Michael Andrews, Raymond Mason und Ronald B. Kitaj. Paula Rego zählt aufgrund gemeinsamer Ausstellungen und eines freundschaftlichen Verhältnisses zu ihren Künstlerkollegen dazu.

Mit Ausnahme der fünf Zeichnungen von Frank Auerbach, konzentriert sich die aktuelle Ausstellung auf das Medium der Grafik, da das graphische Œuvre aller drei ein Äquivalent zu ihren malerischen und zeichnerischen Werken darstellt. Auch wenn die Bildwelten von Auerbach, Rego und Freud sehr unterschiedlich sind, ist ihnen jedoch der Glaube an die menschliche Gestalt als künstlerischem Ausgangspunkt gemeinsam.

Frank Auerbach, 1931 in Berlin geboren, wurde 1939 als Kind nach England versandt, um ihn vor der Verfolgung von den Nationalsozialisten zu retten. Seine Eltern wurden in Auschwitz ermordet. 1947 zog Auerbach nach London; dort lebt er bis heute. Zurückgezogen, die Öffentlichkeit meidend, arbeitet er geradezu obsessiv an seinem Themenspektrum, das er sehr begrenzt hält. Im Grunde sind es genau zwei Bereiche, die er immer wieder überarbeitet: Er fertigt Skizzen und Gemälde von der Umgebung seines Ateliers in London an und porträtiert eine kleine Anzahl von Menschen, die seit Jahrzehnten immer dieselben sind. Charakteristisch für seine Werke ist die ungeheure Lebendigkeit der Darstellung, die unmittelbar im Augenblick des Betrachtens entsteht. Bei Auerbach ist die Wirklichkeit eine bedrängende, den Betrachter bestürmende Ahnung – ohne direkte Wiedererkennung des Motivs. Mit nervösen, beinahe fahrigen Strichen lässt er Landschafts- und Menschenbilder entstehen, die keine Identität, keine Psychologie aufweisen. Er setzt keine Konturen und sucht keine Wahrheit zu ergründen. Es geht hier um die Darstellung der Wandelbarkeit, des flüchtigen Moments.

Lucian Freud wurde 1922 in Berlin geboren. Seine Familie musste 1933 nach England emigrieren. Ab 1949 lebte der Enkel Sigmund Freuds in London, wo er 2011 starb. Freud porträtiert Freunde, Familienmitglieder und immer wieder sich selbst. Kompromisslos und konfrontativ stellt er seine Modelle dar, so wie sie sind: nackt, hager, alt, übergewichtig, faltig, auch mit erschlafften und entblößten Sexualorganen. War das Frühwerk von der exakten Widergabe des Realen gekennzeichnet, so transponiert er ab den 1960er-Jahren die Psychologie und die Präzision seiner Kunst in das Physische, und der Hyperrealismus weicht einer plastisch und brutal gewordenen Opulenz. Schönheit interessierte ihn nicht, und er glaubte auch nicht an eine höhere Ästhetik. Inspirationen gewann Freud aus Bildern alter Meister, zum Beispiel von Goya und Courbet mit ihren düsteren existenzialistischen Darstellungen und den charismatischen Figuren von Corinth und Giacometti. Eine in der aktuellen Ausstellung gezeigte Grafik ist betitelt „After Chardin“, und es ist davon auszugehen, dass Freud das Original von Jean-Siméon Chardin, „The Young Schoolmistress“ von 1790, in der National Gallery London gesehen, gezeichnet und radiert hat – daher hier die Seitenverkehrung des Motivs. Chardin galt als der große Individualist unter den französischen Malern des 18. Jahrhunderts und war berühmt für seine Stillleben, Genrebilder und Porträts. Die sich selbstüberlassene Haltung der Figuren in Chardins Genredarstellungen, die unglaubliche Nähe der klassisch inszenierten Objekte in den „natures mortes“, verbunden mit einem einzigartigen Kolorit, findet man auch in den Porträts von Lucian Freud. Sein unter Verwendung pastoser Farbe und ausdrucksstarker Pinselführung geprägter Realismus brachte ihm den Ruf des bedeutendsten Porträtisten unserer Zeit ein.

Paula Rego, 1935 in Lissabon geboren, verließ 1952 als Jugendliche das von Salazar diktatorisch regierte Portugal und ging nach London, wo sie seither lebt und arbeitet. Ihr Werk ist geprägt von einer einzigartigen Kombination aus Figuration, Narration, Humor und einer unverkennbaren Zeitgenossenschaft. Behandeln ihre frühen Arbeiten, zumeist Collagen aus den späten 1950er- und frühen 1960er-Jahren politische Themen, wechselt sie ab 1966 sowohl die Technik, indem sie sich vorwiegend der Malerei und Grafik zuwandte, als auch die Themen, die jetzt eine Auseinandersetzung mit der Familie, der Rolle der Frau in der Gesellschaft, mit Macht, Leid und Unterdrückung sind. Zumeist Frauen, verstrickt in grotesken Situationen, spielen nun die Hauptrollen in ihren bis heute typischen magisch-realistischen Arbeiten. Anfang der 1990er-Jahre vollzieht sie abermals eine technische Änderung und verwendet ausschließlich Pastellfarben und thematisiert die Gefühle der Frau sowie deren Rolle in der Gesellschaft. Die Quellen für ihre phantasiereichen und komplexen Arbeiten sind Märchen, Sagen, Kindergeschichten, mythologische Figuren, Literatur und gesellschaftspolitische Diskussionen, wie die in den 1990er-Jahren in Portugal geführte Diskussion über Abtreibung. Einige Beispiele zu diesem Thema hängen in der Ausstellung. Regos Geschichten sind nicht illustrativ dargestellt. Jedes Sujets wird auf autobiografische Tauglichkeit und hinsichtlich ihrer subversiven gesellschaftlichen Aussagekraft überprüft. Mit der überspitzten Inszenierung der Themen realisiert sie nicht nur eine zum Grotesken tendierende Ästhetik, sondern es gelingt ihr darüber hinaus, das subversive Potential von Tradiertem, Populärem und Etabliertem drastisch zu verdeutlichen. Das macht ihre Arbeiten aktuell und zeitlos. In ihrem Atelier inszeniert Rego Gliederpuppen, Puppen und Masken und erschafft Tiere und Figuren, die sie für großformatige Kompositionen verzerrt und verwandelt. So entstehen Werke, die Realität und Fiktion, Träumerei und Alptraum vermischen.